Arkadien ist auch nur ein Ort - eine Gruppenausstellung:

Im 18. Jahrhundert besetzte das Arkadienmotiv eine Schnittstelle zwischen Kunst und alltäglichem Leben. So konnte es vorkommen, dass sich eine Gesellschaft in einem Salon zusammenfand, über dessen Anrichte eine Hirtenlandschaft prangte und die Tapeten, die Gardinen sowie das Porzellan ebenfalls mit arkadischen Motiven geschmückt waren. Mit der übermäßigen Präsenz des Motivs verflachte jedoch das Interesse. Arkadien kam aus der Mode.1

 

Im gegenwärtigen Alltag scheint der Begriff kaum eine Relevanz zu besitzen. Die Teilöffentlichkeit - die im Namen der Kunst unterwegs ist – pflegt allerdings weiterhin arkadische Vorstellungen. So inspirierte die Kuratoren Bruegel und Noack das idyllische Bild „eines wahren Arkadiens der Künste“2  bei der Entwicklung des Ausstellungskonzeptes der documenta12 und, erst kürzlich, fragte die staatliche Kunsthalle Karlsruhe im Rahmen einer Themenführung: „Langeweile in Arkadien?“3

 

Ein abweisendes, lebensfeindliches Hochland auf der Halbinsel Peloponnes gab einst den Namen für die poetische Fiktion des antiken Schriftstellers Vergil (70 v. Chr. – 19 v. Chr.). Sein Arkadien war der Entwurf einer idealen Gesellschaft, in der mythische Hirten und Tiere in einer friedlichen, idyllischen Landschaft ein freies und harmonisches Leben führten. Diese bukolische Phantasie überdauerte das Mittelalter und inspirierte zudem die christliche Vorstellung vom Garten in Eden.4

 

In der Renaissance fasziniert der dichterische Entwurf einer freien Gesellschaft nicht nur die Adeligen. Das Thema Arkadien wird in der Literatur und Lyrik weiterentwickelt und zudem für die bildende Kunst entdeckt. Mit Malern, wie Giorgione und Tizian, gewinnt die Darstellung der Natur zunehmend an Gewicht. Spätere arkadische Landschaftsdarstellungen, etwa von Claude Lorrain, werden zu Vorbildern für die Gestaltung englischer Landschaftsgärten 5.
In ihnen erhält das arkadische Motiv seine räumlich-reale Entsprechung. Die idyllischen Gärten bieten Platz für den Rückzug aus einer beengten, normierten, städtischen Umwelt und Gesellschaft. Dieses Bedürfnis, diese Sehnsucht, ist seit der Antike verantwortlich für die generelle Entwicklung arkadischer Vorstellungen. Dazu Aurel Schmidt: „Arkadien ist eine Idylle, die der Mensch entworfen hat, als er feststellenmusste, dass er seine Beziehung zur Natur zu verlieren begann.“
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Die arkadische Naturvorstellung entspringt somit einem urban geprägten Denken. Ihr Entwurf entwickelt sich aus dem Vorbild kultivierter Landschaften und nicht dem Vorbild einer ungezähmten Natur. So finden sich in Darstellungen Arkadiens Wiesen, lichte Wälder und Olivenhaine sowie sanft plätschernde Bäche oder Quellen.

 

Doch auch an einem so idealen Ort gibt es Schatten. Einen Hinweis darauf gab bereits Nicolas Poussin in seinem Gemälde Die Hirten von Arkadien. Die dargestellte Personengruppe untersucht aufmerksam eine Inschrift auf einem Sarkophag und findet einen Hinweis auf die Vergänglichkeit: „Et in Arcadia ego.“7

 

Die Fiktion des idealen Arkadiens bietet für eine künstlerische Auseinandersetzung viele Perspektiven und Fragestellungen: Gibt es ein modernes Arkadien und wo findet sich dieser idyllische, die Sehnsucht beflügelnde Ort, in einer Zeit in der Städte zu wuchernden Metropolen mutierten, die Natur auf einem stetigen Rückzug ist und eine digitale Parallelwelt neue Probleme räumlicher Verortung aufwirft? Diesen und ähnlichen Fragen werden sich die Künstler und Künstlerinnen der Ausstellung auf ihre Weise nähern. Dazu werden neue Werke entstehen oder Arbeiten präsentiert, die vielleicht eine frische Sicht auf ein altes Motiv bieten.8

 

Candia Neumann

 

 



1
Auch die sich entwickelnde industrielle Massenproduktion trug wesentlich zur Verbreitung bei und das edle Motiv verkam zum Kitsch.

2 vgl. Jenny Hoch http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/documenta-12-rohrstockhiebe-in-arkadien-a-488499.html

3 http://kalender.karlsruhe.de/kalender/db/termine/kultur/sonstiges/langeweile_in_arkadien.html

4 Theokrit gilt als Begründer der Hirtendichtung (3. Jahrhundert vor Chr.) Seine Landschaftsschilderungen beziehen sich auf seine sizilianische Heimat. Er selbst lebte jedoch in der Großstadt Syracrus. Vgl.Leif Ludwig Albertsen: Das wahre Arkadien und Verwandtes. Hg. Andrea Hohmeyer, Jasmin S. Rühl, Ingo Wintermeyer: Spurensuche in Sprach- und Geschichtslandschaften. LIT-Verlag Münster: 2003 und Udo Leuschner:
Arkadien. www.udo-leuschner.de/sehnsucht/s04arkadien.htm

5 Die Entwicklung der englischen Landschaftsgärten beginnt im 18. Jahrhundert. Vgl. Adrian von Buttlar: Der Landschaftsgarten, DuMont Buchverlag Köln, 1989

6 Aurel Schmidt: Was ist Natur? In: Kunstforum international: Bd.145. 1999

7 Poussin nach einem Gemälde von G.F. Barbieri, der die Inschrift in Verbindung mit einem Totenschädel darstellt. Die Übersetzung dieser lateinischen Phrase ist in der Rezeptionsgeschichte sehr umstritten.
„Auch in Arkadien (bin) ich“ oder „Auch ich (war) in Arkadien“. Ich = Tod. http://de.wikipedia.org/wiki/Et_in_Arcadia_ego

8 Sonstige Literatur: Paolo Bianchi: Modern Nature: Künstler als Gärtner. Peter Arlt: Was ist ein Ort? In: Kunstforum international: Bd.145.1999 und http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/tizian-ausstellung-in-mailand-gib-den-blick-frei-auf-die-landschaft-madonna-11690028.html

 

 

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