Die Aufteilung
des Sinnlichen Die Politik
der Kunst und ihre Paradoxien
Vortrag von Maria Muhle über den französischen
Philosophen Jacques Rancière
Zu der XLVIX.|49.Veranstaltung der Reihe
Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den
22. Februar 2008 um 20 Uhr
laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein
-Alte Schule- Äbtissinsteig 6 Essen-Steele
Ich schlage kein Programm für die Zukunft vor, sondern
Werkzeuge und Maßnahmen, mit denen wir die gegenwärtigen Verhältnisse
besser einschätzen und den Bereich des Möglichen ermessen können.
Die
Zukunft sollte uns eher als das Resultat von Möglichkeiten, die in der
Gegenwart geschaffen werden, und von Fähigkeiten, die es heute zu verbessern
gilt, erscheinen, denn als Zielsetzung von der abhängt, was in der Gegenwart
zu tun ist. Jacques Rancière
Prä-Text
Für
die documenta 12 in diesem Jahr, für die Wahl ihrer 3 Leitbegriffe:
MODERNITY, LIFE und EDUCATION, wurde das Denken des französische Philosophen Jacques Rancière wichtig. Scheinen
doch insbesondere seine Texte "Die Aufteilung des Sinnlichen"
und "Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien" (2000 in Frankreich,
2006 in Deutschland veröffentlicht) für die Konzeption der Ausstellung
bedeutsam geworden zu sein.
Das
DOCUMENTA MAGAZIN N˚3 EDUCATION,
in dem "Bildung/Selbstbildung mit und über ästhetische Erfahrung"
das Thema ist, und "Was tun"? die entscheidende Frage, ist
einleitend - quasi richtungsweisend - das Gespräch "Entsorgung
der Demokratie" zwischen Jacques Rancière und Christian Höller
(Redakteur der Zeitschrift springerin – Hefte für gegenwartskunst)
veröffentlicht. D.S.-B.
Eine Auswahl der Bücher von Jacques Rancière, die auf Deutsch
erschienen sind:
(PPP 49)
In Die Aufteilung des Sinnlichen
bestimmt Jacques Rancière die Ästhetik
der Politik als eine Frage
der Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit des Einzelnen im Gemeinsamen und
versteht sie als Antwort auf die Frage „Wer
kann reden? Wer wird gehört? Wer wird gesehen?“. Es geht mithin
um etwas, das Rancière als die grundlegenden, sozial vermittelten Formen
der sinnlichen Erfahrung bezeichnet: Wer oder was ist in der sinnlichen
Erfahrung gegeben, oder: Wer oder was hat Anteil am Sinnlichen, das
erfahrbar ist? Diese Frage impliziert zugleich die Frage nach der Aufteilung
dieses Sinnlichen als System sinnlicher Evidenzen, d.h. als ein System
von Selbstverständlichkeiten der Wahrnehmung, die zugleich die Existenz
eines Gemeinsamen und die exklusiven Teile, Orte und Anteile, die Unter-
oder Aufteilungen dieses Gemeinsamen bestimmt. Die wesentliche Frage
dieser „ursprünglichen Ästhetik“
in den Worten Rancières ist mithin folgende: Wie öffnet sich das (sinnliche)
Gemeinsame der Teilhabe der Einzelnen, d.h. wie werden die Einzelnen
innerhalb des Systems der sinnlichen Evidenzen wahrgenommen, werden
sie gesehen, gehört, gefühlt und wenn ja, wie und auf welche Weise?
Vor diesem Hintergrund lässt sich dann, so Rancière, die Frage nach
den „ästhetischen Praktiken“ stellen, d.h. nach den Formen
der Sichtbarkeit ästhetischer Praktiken. Diese Praktiken sind Tätigkeiten,
die einen Ort in der Aufteilung des Gemeinsamen einnehmen, oder besser,
es sind Tätigkeitsformen, die in die allgemeine Aufteilung der Tätigkeiten
und in deren Beziehungen mit den Seinsweisen und Formen der Sichtbarkeit
eingreifen. Diese Praktiken unterbrechen die ‚normale Aufteilung’ zwischen tun, sein und wahrgenommen (gesehen, gehört) werden.
Sie tun also genau das, was Rancière
in Das Unvernehmen als das Politische bezeichnet hat: Sie unterbrechen
eine anerkannte Aufteilung des Sinnlichen, zeigen ihre Kontingenz auf
und ermöglichen die Aktualisierung des fundamentalen Gleichheitsprinzips der sprechenden Menschen untereinander und die
darauf folgende Neuaufteilung des Sinnlichen. Insofern bezeichnet Rancière
die Demokratie als das ästhetische Regime
der Politik schlechthin, da es sich durch die Unbestimmtheit der
Identitäten, den Legitimationsentzug der Sprecherposition und die Deregulierung
von Raum und Zeit bestimmt
(d.h. die Deregulierung von Raum und Zeit des Politischen,
wann und wo geschieht Politik, wann und wo geschieht sie nicht?). Diese Thesen sollen anhand verschiedener Beispiele klassischer
und zeitgenössischer künstlerischer Praktiken untersucht werden. Maria Muhle
Maria Muhle, Studium der Philosophie und Politikwissenschaft in Madrid
und Paris. 2007 bi-nationale Promotion in Paris und Frankfurt/Oder „Eine
Genealogie der Bio-Politik. Zum Begriff des Lebens bei Georges Canguilhem
und Michel Foucault“, erscheint 2008 im transcript Verlag Bielefeld.
Verschiedene Publikationen u.a. „Bio-Politik vs. Lagerparadigma“, in:
Auszug aus dem Lager, Bielefeld 2007; Einleitung zu Jacques Rancière,
Die Aufteilung des Sinnlichen, Berlin 2006; „Everything always stays
the same but slightly different“, in: Tue Greenfort. Photosynthesis, New York/Berlin 2006; „Il monstruo e la biopolitica“,
in: Lessico biopolitico, Rom 2006 sowie zahlreiche Übersetzungen u.a.
Jacques Rancière, Die Aufteilung
des Sinnlichen, Berlin 2006; ders. Politik
der Bilder, Berlin 2006 und „La política del arte y sus paradojas“,
Madrid 2007; Georges Didi-Huberman, „Die Nadel und der Schmetterling
oder das Dispositiv der durchdringenden Stille“, in: Literatur
als Philosophie, Philosophie als Literatur, Paderborn 2005.
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