SINGE DEN ZORN
Kino von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet
Vorgestellt von Michael Girke
Zu der XLIV. Veranstaltung der Reihe
Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 1.Dezember 2006 um 20 Uhr
laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein
Atelierhaus
Alte Schule
Äbtissinsteig 6
Essen-Steele
IN MEMORIAM
Danièle Huillet
*1. Mai 1936 in Paris 9.Oktober 2006 in Chloet
(PPP 44)
SINGE DEN ZORN
Kino von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet
Vorgestellt von Michael Girke
Die diesjährige Biennale von Venedig verlieh den Filmemachern Jean-Marie
Straub und Danièle Huillet den Goldenen Löwen für ihr
Lebenswerk, für "die Erneuerung der Filmsprache".
Kurz darauf, am 9. Oktober, ist Danièle Huillet gestorben.
Ihr ganzes Leben hat das "schreckliche Paar" (Peter Handke,
den Chor aus Antigone zitierend) um Anerkennung gekämpft, nicht um
Ruhm, sondern für die Sichtbarkeit einer Filmarbeit, die frei sein
will von den ökonomischen und ästhetischen Zwängen der
Filmindustrie.
"Nur wer Lust hat zu widerstehen, kann gute Filme machen", sagt
Straub, und dass "Straub" mit "sich sträuben"
zu tun habe.
"Im Bereich des Geistes zählt nicht die Menge, sondern die
Wahrheit und die schöpferische Leistung", schrieb Karlheinz
Stockhausen zum ersten der Straub/Huillet Filme, Machorka-Muff (1962 nach
Heinrich Böll).
Es folgten Nicht Versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht
und Die Chronik der Anna Magdalena Bach. Filme, gedreht von einem Franzosen,
der als Gegner und Deserteur des Algerienkriegs am Ende der Adenauer-Globke-Ära
nach Deutschland geflohen war und von einer Französin, die durch
die Kantaten von Bach die deutsche Sprache gelernt hat.
Um es gleich zu sagen: Straub/Huillet gehen keinen Kompromiss ein und
wollen alles.
Sie lehnen den Deal ab, der die Moderne geradezu konstituiert, die den
technischen Fortschritt mit Blut erkauft und das Erkennen der Erde mit
ihrer Verwüstung. Sie sind nicht bereit, den "kollateralen"
Preis zu bezahlen, den der Fortschritt fordert.
Sie bleiben Handwerker des Kinos und mit der Halsstarrigkeit einer Antigone
ästhetischen, handwerklichen und moralischen Gesetzen verpflichtet,
die in der Polis ein Ärgernis sind und deren Beachtung in den teuren,
industriellen Produktionen nicht zu bezahlen, also "objektiv"
unmöglich ist.
Gesetz gegen Gesetz!
In 40-jähriger Arbeit entstanden so deutsche, französische
und italienische Filme, je nach dem Land, der Sprache und den Menschen,
die die Töne und Bilder prägen.
Wie Hölderlins Hyperion sich nicht satt hören konnte am Klang
der Namen aus der griechischen Heroenwelt, als würde diese von der
Sprache zum Leben erweckt, bringen Straub/Huillet in Bild und Ton immer
wieder Brecht, Mallarmé, Corneille, Schönberg, Kafka, Hölderlin,
Pavese und deren aller Fragmente eines kommunistischen Traums. Er bedeutet
Bewahrung der Vergangenheit, ihre Entbindung in der Gegenwart, statt ihrer
Verheizung als Treibstoff in die Zukunft.
Diese Vision teilen die Straubs mit Pasolini, Müller, Beuys und mit
den von ihnen geliebten Autoren.
"Wir werden wieder sehen müssen, besser sehen, wirklich sehen,
Leinwände, die wir nicht kennen, und Cézanne wird uns dabei
helfen, mit seinem durchdringenden Blick."
Straub/Huillet
Michael Girke
Michael Girke, Autor und Filmkritiker, lebt und arbeitet in Herford,
schreibt u.a. für FILM-DIENST, Konkret, FREITAG, Jungle World; Gastrollen
zuletzt in folgenden Büchern: "Friendly Fire" von Klaus
Theweleit, MINUTENTEXTE über Charles Laughtons "The Night Of
The Hunter".
Filme von Straub/Huillet (Auswahl)
NICHT VERSÖHNT oder ES HILFT NUR GEWALT, WO GEWALT HERRSCHT (1964)
DIE CHRONIK DER ANNA MAGDALENA BACH (1968)
GESCHICHTSUNTERRICHT (1973)
MOSES UND ARON (1974)
VON DER WOLKE ZUM WIDERSTAND (1978)
KLASSENVERHÄLTNISSE (1982)
DER TOD DES EMPEDOKLES (1986)
PAUL CÉZANNE (1989)
ANTIGONE (1990)
ZU FRÜH/ZU SPÄT (1992)
VON HEUTE AUF MORGEN (1997)
SICILIA! (2000)
EIN BESUCH IM LOUVRE (2004)
JENE IHRE BEGEGNUNGEN (2006)
Am Freitag Abend wird der Film EIN BESUCH IM LOUVRE in voller Länge
(48 min.) gezeigt; darüber hinaus werden Szenen aus weiteren Filmen
von Straub/Huillet Einblick in ihr Schaffen
geben.
Am Sonntag, den 3. Dezember ab 18 Uhr
wird ein ergänzender Film- und Gesprächsabend im Atelierhaus
stattfinden, an dem die Filme
ANTIGONE (100 min.) und KLASSENVERHÄLTNISSE -nach Kafka- (100 min.)
gezeigt werden.
Bitte schon vormerken:
Freitag, den 12.Januar 2007 um 20 Uhr
wird die Künstlerin Susanne Weirich über ihre Arbeit sprechen.
Atelierhaus -Alte Schule- Äbtissinsteig 6
45276 Essen-Steele
Tel.+Fax 0201/ 515592 e-mail: doris.schoettler-boll@t-online.de www.atelierhaus-essen.de
KUNSTRAUM-ALTE SCHULE - e.V.
Wir danken dem Kulturbüro der Stadt Essen und den Freunden des Atelierhauses
für die freundliche Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe
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