Pop und Popkultur
Stationen einer Umwertung kultureller und
künstlerischer Werte
Vortrag von Thomas Hecken
Zu der LXIII.|63. Veranstaltung der Reihe
Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 20.
November 2009 um 20 Uhr
laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein
Atelierhaus
- Alte Schule - Äbtissinsteig 6 Essen-Steele
Thomas Hecken ist
als Kenner der Popkultur seit mittlerweile drei Jahrzehnten ausgewiesen.
und zahlreichen Aufsätzen
und Büchern zum Verhältnis von Avantgarde und Popkultur hat er in diesem Herbst sein
umfangreiches, abschließendes Werk zum Thema vorgelegt: »Pop. Geschichte
eines Konzepts 1955-2009«, das die FAZ in einer Rezension im September
als »wichtige« Veröffentlichung hervorgehoben hat. Sein Vortrag im Atelierhaus
wird nun einen Überblick zum Verhältnis von Künstlern, Intellektuellen
und der Popkultur geben. Gut beginnen lassen
kann man die Geschichte Mitte der 50er Jahre. 1957 stellt der britische
Künstler Richard Hamilton, der heute längst in die führenden Museen
der Welt Eingang gefunden hat, eine Liste auf, die angibt, was Pop Art sei. Unter dem zu seiner Zeit noch ganz ungewöhnlichen Begriff
versammelt Hamilton elf Eigenschaften. Pop Art ist seiner Anschauung und Begriffsbestimmung nach für ein
Massenpublikum bestimmt, flüchtig, rasch zu verbrauchen, billig, in
großer Stückzahl hergestellt, jung, witzig, sexy, trickreich, glamourös
und ein großes Geschäft (»Big business«). Zwar notiert Hamilton
die Liste, um eine Anregung zum Plan einer Kunstausstellung zu geben
– und er hält später sogar fest, dass der Brief ihm als theoretische
Grundlage seines Hommage à Chrysler-Bildes
gedient habe –, dennoch weist
seine Pop Art-Aufstellung weit aus der Welt der
Galeriekunst hinaus. Eigenschaften wie »mass produced« und »big business«
zeigen unmissverständlich an, dass die so charakterisierte Pop Art nicht aus den Gemälden Hamiltons und seiner Kollegen bestehen
kann. Verwirrend an der Liste ist lediglich der Titel. Was bei Hamilton
Pop Art heißt, ist sonst unter
der Bezeichnung Massenkultur geläufig. Der eigenwillige Begriffswechsel
in Reihen der Independent Group – Pop Art statt mass bzw.
popular culture – muss darum ungewöhnliche
Gründe haben. Die Gründe bestehen eindeutig in einer neuen Betrachtung
und besonders einer Umwertung der Gegenstände und Verfahrenstechniken
jener massenkulturellen Pop Art.
Der Begriff Art macht dabei
deutlich, dass die Umwertung nur eine Hochwertung sein kann. Zur Kunst
zählt Hamilton die – wie er meint – flüchtigen, billigen, glamourösen
etc. Produkte der Massenherstellung grundsätzlich bereits, bevor sie
als Motiv oder Teiletwa eines Gemäldes neu gefasst werden. Er begrüßt
also nicht nur ihre Verfremdung und originelle Aneignung (die er selbst
mit seinen Bildern betreibt), sondern bejaht sie an sich. Die Kunst
tritt dadurch in einen neuen Raum ein, sie findet Eingang
in Diskotheken und Clubs, in denen Gruppen wie Velvet Underground
auftreten und in denen Environment und Kunstobjekt ineinander übergehen
sollen. Mit seiner Verschränkung
von moderner, industriell geplanter Massenkultur und ihrer Hochwertung
markiert Hamiltons Begriff Pop
Art eine wichtige Zäsur in der Debatte um die Erzeugnisse der zeitgenössischen
Medien- und Maschinenwelt. Die lange vorherrschende bildungsbürgerliche
Abwertung der Massen- und Populärkultur wird dabei außer Kraft gesetzt.
Hamilton und seinen zahlreichen Nachfolgern geht es um die Verteidigung
und das Lob von Pop bzw. Popkultur. Bei Richard Hamilton etwa weisen
hier Worte wie sexy und gloss den Weg, bei anderen steht an vergleichbarer Stelle »Reiz«,
»Oberfläche«, »künstlich« oder »intensiv«; im Verlauf der siebziger
und achtziger Jahre gewinnt im Zuge dessen die körperliche Präsenz einen
neuen Stellenwert in künstlerischen Diskursen und Aufführungspraktiken.. Der Vortrag wird diese weiteren wichtigen
Stationen der Umwertung darstellen und kritisch einordnen – etwa die
amerikanische Pop-art-Debatte der 60er Jahre oder aktuelle postmoderne
Geschmacksprinzipien.
Dr.
Thomas Hecken ist seit 2004 Privatdozent für Deutsche Philologie am Germanistischen
Institut der Ruhr-Universität Bochum und vertritt dort seit dem Wintersemester
2007/08 eine Professur für Neugermanistik.
Veröffentlichungen zuletzt u.a.: »Populäre Kultur« (Bochum 2006);
Avantgarde und Terrorismus“ (Bielefeld 2006); „Gegenkultur und Avantgarde
1950-1970“ (Tübingen 2006); »Theorien der Populärkultur« (Bielefeld
2007); »Pop. Geschichte eines Konzepts 1955-2009« (Bielefeld 2009).
Atelierhaus
-Alte Schule- Äbtissinsteig 6 45276
Essen-Steele |