Trauma und Abjektes

Zur Autotherapie in den Materialaktionen von Otto Muehl

 

 

Vortrag von Gerald Schröder

 

 

 

 

Zu der LXI.|61. Veranstaltung der Reihe

Personen Projekte Perspektiven

Freitag, den 3. Juli 2009 um 20 Uhr

laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein

 

 

 

 

 

 

 

 

Atelierhaus

- Alte Schule -

Äbtissinsteig 6

Essen-Steele

 

 

 

 

 

Trauma und Abjektes – Zur Autotherapie in den Materialaktionen von Otto Muehl

 

Der Begriff des Traumas hat Konjunktur und ist mittlerweile fester Bestandteil unserer Alltagssprache geworden. So bezeichnen wir einschneidende negative Erlebnisse landläufig als traumatisch, vor allem dann, wenn uns der erlebte Schrecken nicht mehr los lässt und emotional weiter zu verfolgen scheint. Eine solche Verwendung des Begriffs verdankt sich letztlich psychoanalytischen Theorien über die Funktionsweise unseres Seelenlebens. Seit einigen Jahren interessieren sich auch die Kulturwissenschaften für die psychoanalytische Traumaforschung. Eröffnet diese doch eine neue Perspektive auf die Geschichte der Moderne, die stark von Krisen und Katastrophen geprägt ist.


In meinem Vortrag vertrete ich die These, dass Otto Muehl mit seinen Aktionen der 1960er Jahre auf ein traumatisches Erlebnis aus dem 2. Weltkrieg Bezug nimmt. Dabei reflektiert er nicht nur den performativen Charakter traumatischer Wiederholung als “reenactment”, sondern versucht zugleich, eine Anmutung vom Präsenzcharakter traumatischen Erlebens zu vermitteln, das sich nicht mehr in traditionellen Formen künstlerischer Repräsentation fassen lässt. Darüber hinaus wird deutlich, dass die ursprüngliche Szene traumatischen Erlebens in der Wiederholung nur als Entstellte wiederkehrt. Allerdings versteht Muehl die Art und Weise dieser Entstellung nicht nur als weitere künstlerische Reflexion traumatischen Erlebens, sondern darüber hinaus auch ganz programmatisch als eine Möglichkeit, das Trauma therapeutisch zu bearbeiten. In diesem Zusammenhang ist der Einsatz unterschiedlicher künstlerischer Medien besonders interessant. Zwar steht der Livecharakter der Aktion bei Otto Muehl auch programmatisch im Zentrum seiner künstlerischen Arbeit, doch nutzt er immer wieder die technischen Medien Fotografie und Film, deren Funktion gerade im Hinblick auf die therapeutische Bearbeitung des Traumas über das bloß Dokumentarische hinausgeht.

 

Otto Muehl (Jahrgang 1925) gehört zusammen mit Günter Brus, Hermann Nitsch und Rudolf Schwarzkogler zur Gruppe der so genannten Wiener Aktionisten, die in den 1960er Jahren mit traditionellen Formen der Kunst brachen und durch ihre körperbezogene Aktionskunst schockierten. Während Brus zu Beginn der 1970er Jahre zum Medium der Zeichnung zurückkehrte und Nitsch die Realisierung seines Orgien Mysterien Theaters vorantrieb, gründete Otto Muehl eine Kommune als Konsequenz seiner neoavantgardistischen Programmatik, die Kunst ins Leben entgrenzen zu wollen. Nach dem Scheitern dieses Projektes zu Beginn der 1990er Jahre wird zunehmend die künstlerische Leistung Otto Muehls gewürdigt, wovon nicht zuletzt die große Wiener Retrospektive im Jahr 2004 zeugt.

 

 

Gerald Schröder ist Akademischer Oberrat am Kunstgeschichtlichen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Seine Habilitationsschrift trägt den Titel Schmerzensmänner – Trauma und Therapie in der westdeutschen und österreichischen Kunst der 1960er Jahre. Schwerpunkte seiner Forschung liegen im Bereich der Kunst des 20. sowie des ausgehenden 16. Jahrhunderts, wobei ihn in methodischer Hinsicht Fragen kulturgeschichtlicher Emotionsforschung, Konzeptionen von Männlichkeit sowie die Beziehung von Kunst und Politik besonders interessieren.

 

 

 

 

 

 

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Wir danken dem Kulturbüro der Stadt Essen und den Freunden des Atelierhauses
für die freundliche Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe

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