„Vom Fehlen des Außen“

Lost Highway von David Lynch

 

Vortrag von Michael Thamm

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu der LVIII.|58. Veranstaltung der Reihe

Personen Projekte Perspektiven

Freitag, den 27. Februar 2009 um 20 Uhr

laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Atelierhaus

- Alte Schule -

Äbtissinsteig 6

Essen-Steele

 

 

 

 

 

 

David Lynch

 

David Keith Lynch (* 1946 in Missoula, Montana, USA) US-amerikanischer Regisseur, Maler, Fotograf und Animationskünstler, studierte an der Corcoran School of Art, Washington D.C.; an der Boston Museum School, Boston Massachusetts und der Pennsylvania Academy of the Fine Arts, Philadelphia,  PA.

Seit 1967 ist David Lynch auch als Künstler in Einzel- und Gruppenausstellungen international  präsent. In Deutschland waren zuletzt seine fotografischen Arbeiten im Epson-Kunstbetrieb 2008 zu sehen.

Vor allem ist er aber mit seinen Filmen einem breiteren Publikum bekannt.

 

Filmografie

1967: Six Men Getting Sick (Kurzfilm)

1968: The Alphabet (Kurzfilm)

1970: The Grandmother (Kurzfilm)

1974: The Amputee (Kurzfilm)

1976: Eraserhead

1980: Der Elefantenmensch (The Elephant Man)

1984: Dune - Der Wüstenplanet (Dune)

1986: Blue Velvet

1989: The Cowboy and the Frenchman (Episodenfilm aus: Les Français vus par...)

1990: Wild at Heart - Die Geschichte von Sailor und Lula (Wild at Heart)

1990: Industrial Symphony No. 1 - The Dream of the Brokenhearted (TV)

1992: Twin Peaks - Der Film (Twin Peaks: Fire Walk with Me)

1995: Lumière et Compagnie (Kurzfilm)

1996: Lost Highway

1999: Eine wahre Geschichte - The Straight Story (The Straight Story)

2001: Mulholland Drive - Straße der Finsternis (Mulholland Drive)

2002: Rabbits (Acht Kurzfilme, nur online veröffentlicht)

2002: The Short Films of David Lynch

2006: Inland Empire

 

Fernsehfilme

1989: Twin Peaks, Pilotfilm und 29 Serienfolgen, Regie beim Pilotfilm und den Folgen 3, 9, 10, 15 und 29

1990/91: American Chronicles, Dokumentarfilmreihe, produziert von Lynch, Regie der Folge ‚Champions': Lynch/Frost

1991/92: On the Air, 7 Folgen, Regie bei Folge 1

1992: Hotel Room, Kurzgeschichten-Trilogie

 

Kurzfilme

2005: Dumb Land (acht Zeichentrickfilme)

1. The Neighbor

2. The Treadmill

3. The Doctor

4. A Friend Visits

5. Get the Stick!

6. My Teeth are Bleeding

7. Uncle Bob

8. Ants

2007: Boat (ein acht Minuten langer Kameratest mit dem Regisseur in der Hauptrolle; wurde auf Lynchs Homepage als Kurzfilm veröffentlicht)

 

 

Neben seiner filmisch-künstlerischen Arbeit setzt sich David Lynch für die Verbreitung der Transzendentalen Meditation (Maharishi Mahesh Yogi) ein und gründete 2005 die „David Lynch Foundation for Consciousnes Based Education and World Peace“.

 

„Vom Fehlen des Außen“ –

Lost Highway von David Lynch

 

Vortrag von Michael Thamm M.A. Literatur- und Filmwissenschaftler

 

.

 

1997 kam David Lynchs Film "Lost Highway" in die Kinos. Zusammen mit dem Autor der Romanvorlage von "Wild at Heart", Barry Gifford, schrieb er nun ein Skript, auf dessen Grundlage ein Film entstand, bei dem Zuschauer ihren Augen, Ohren und ihrem Verstand nicht mehr zu trauen wagten.

 

So manch frühere Bewunderer der Filme David Lynchs konnten mit "Lost Highway" so gar nichts anfangen. Zu verworren war ihnen der Plot, zu wenig nachvollziehbar Lynchs Absicht. Zum Beispiel schreibt Andreas Kilb: „ Lynch aber will immer beides, befreien und überwältigen, den offenen Horizont und die geschlossene Form. "Blue Velvet" und "Wild at Heart" sind an diesem Widerspruch gewachsen; "Lost Highway" zerbricht daran“(ZEIT 16/1997). Es gibt eine große Anzahl von Filmkritikern, die angesichts von "Lost Highway"  das Handtuch werfen und gleich dem Film unterstellen, dass er „ja ein Rätsel ist und auch sein soll“  (Elfriede Jelinek in "Profil" 44/2003).

Michael Thamm versucht mit seinem Ansatz - gegen das Diktum der Unanalysierbarkeit - eine mögliche Analyse des Rätsels  "Lost Highway" zu leisten. Dabei bedient er sich wie Slavoj Zizek und Robert Blanchet der Denkmodelle von Freud und Lacan, vor allem aber der  "Traumdeutung" Freuds. Ganz in der Tradition Friedrich Kittlers (Professor für Ästhetik und Geschichte der Medien, Berlin), der die Psychotechnik-Theorie des Kinos von Hugo Münsterberg mit der psychoanalytischen Theorie Jacques Lacans am Beispiel des "Dracula"- Romans von Bram Stoker verschweißt, soll eine psycho- technische Beschreibung des Ablaufs der Lynch- Maschine "Lost Highway" das „Rätsel“  des Film dechiffrieren.

 

 

 

Michael Thamm, geb. 1956, Studium der Germanistik/ Literaturwissenschaft in Essen, Magisterarbeit über

Jean-LucGodard: Psycho-Technik. Untersuchungen zu den frühen Filmen von Jean-Luc Godard.

Von 1986-bis 1990 Mitarbeiter am Fachbereich 3 Germanistik der Universität-Gesamthochschule Essen. Von 1980 bis 1986 (Schließung) Mitarbeiter am Kommunalen Kino Zelluloid in Essen, Programmauswahl, Seminare. Später Texte zu Harenbergs Filmkalender 1993. Danach diverse Jobs im Kulturbereich, z.B. Kulturamt Duisburg, Folkwang Musikschule Essen. Zurzeit Mitarbeiter im Atelierhaus -Alte Schule-  in Essen-Steele.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Atelierhaus -Alte Schule- Äbtissinsteig 6 45276 Essen-Steele
Tel.+Fax 0201/515592 - E-mail Doris.Schoettler-Boll@t-online.de - www.atelierhaus-essen.de
KUNSTRAUM - ALTE SCHULE - e.V.
Wir danken dem Kulturbüro der Stadt Essen und den Freunden des Atelierhauses
für die freundliche Unterstützung dieser Veranstaltungsreihe

 

 

 

 

Andere Töne - Andere Orte

 

(…)

Filmhistorisch sind extrem tiefe Töne immer schon dem Horrorfilm zugeordnet gewesen. Oft sind sie mit einer verzerrten Teufelsstimme assoziiert. Für einen Amerikaner, dem die deutsche Sprache fremd ist und der die tiefe Stimme des Rammsteinsängers, begleitet von noch tieferen Elektro-Bässen, hört, muss sie wie eine Höllenstimme vorkommen. So ertönt sie folgerichtig zum ersten Mal, als Pete in Andys Haus die Projektion der „Urszene“ erblickt. Der Titel des Stücks "Heirate mich" beschreibt nicht nur Petes Wunsch nach einer Verbindung mit Alice, sondern ist auf einer dunklen akustischen Ebene ein Kommentar zur Verbindung der Hauptfigur mit Mephisto, den Teufelspakt eingeschlossen.

Als Gegenstück dazu können die Sirenengesänge gelten. Sie begleiten zum Beispiel die traumatisch- sexuelle „You’ll never have me“- Szene. Hierin kann erneut die Lynch-typische Ver-Wendung von Musikmaterial beobachtet werden. Der Titel "Song To The Siren" von Tim Buckley aus den 70ger Jahren wird unter der Stimme Elisabeth Frasers (Cocteau Twins) zum Gesang einer Sirene. Mythenbewanderte sind gewarnt! Wer nicht an einen Pfahl gebunden ist oder die Ohren mit Wachs ausgegossen hat, muss mit Unheil rechnen. Pete hört Musik vom falschen Radio-Kanal. Wieder einmal. Denn Alice hatte unbemerkt im Autoradio des Mustangs, mit dem sie und Pete zur Beuteübergabe in die Wüste zum Treffen mit dem Hehler (Mephisto)gefahren waren, einen anderen Sender eingestellt. Und so folgt, was folgen muss: Den Lockgesängen Alices erlegen, prallt Pete mit seinem Begehren brutal auf die in süßem Zungenschlag vorgetragene Verweigerung, während im Off der Song die Szene akustisch begleitend kommentiert, bis dissonante Töne ihn ablösen. Die Szene bildet die negative Entsprechung zur "Magic - Moment"-Sequenz, ebenso, wie das helle Licht in beiden die Antwort auf die Schwarzfilm- Momente im Film abgibt.

Die Gesänge sind ebenso de- realisierend wie die Brummtöne. Doch haben die tiefen Töne schon rein wahrnehmungstechnisch durch ihre Nicht- Ortbarkeit die Eigenschaft sich quer zur Filmhandlung zu bewegen. Sie suppen aus den Lautsprechern, bilden das akustische Pendant zu den in erster Linie illustrierenden Songs von David Bowie, Lou Reed oder Marilyn Manson.

Nicht nur „Hypnose entrückt an einen anderen Ort, der der ’Ort des Anderen‘ ist“, auch der Traum oder der Film. Dort hört man eine „Stimme, eher als eine Person, eine Stimme, die nur aus dem Radio(bei Lacan TV) kommend zu denken ist, eine Stimme, die nicht eksistiert, da sie nichts sagt.“ (Kittler/Lacan) So ist es dann nur folgerichtig, wenn der Mystery Man am Ende seine Botschaft an Fred für den Rezipienten unhörbar ins Ohr flüstert.

 

 Auszug aus dem Vortrag

 

zurück