Die Kunst, Filmgeschichte zu erzählen
Film-Vortrag von Rainer Vowe über Jean-Luc Godards |
XXXIV. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 11. März 2005
um 20 Uhr
Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
Die Filmgeschichte(n) Jean-Luc Godards
Eine akademisch orientierte Geschichte des Films ließe sich so
beginnen:
Daß der Film ein, wenn nicht sogar das Medium der Moderne ist,
verbürgt keineswegs seine Modernität als Kunstform. Im Vergleich
mit den modernen Künsten, wie sie sich in Literatur, Malerei und Musik
im späten 19. bzw. frühen 20 Jh. ausgebildet haben, analog zum
Prozeß der gesellschaftlichen Modernisierung und mit unscharfen Grenz-ziehungen
innerhalb der verschiedenen Nationalkulturen, wirkt der Film und insbesondere
der populäre Spielfilm beinahe anachronistisch. Definiert sich die
moderne Kunst maßgeblich durch das Moment der Innovation, verstanden
als Bruch mit vor-herrschenden Traditionen und Destruktion klassischer
Formen (was in den Avantgarde-Bewegungen dann zur weißen bzw. verbrannten
Leinwand, zur regellosen Collage bzw. leeren Seite, zum bloßen Geräusche
bzw. totalen Schweigen führte), so entwickelte das Erzählkino
seinen ‚klassischen Stil’ Ende der zehner Jahre unter Rückgriff auf
Erzähl-konventionen und Genremuster des ‚well-made play’ der ‚popular
romance’ und der ‚short story’ des 19. Jhs. Bis in die fünfziger Jahre
blieb dieser klassische Stil gebunden an das Studiosystem und weitgehend
stabil, trotz aller Ausdifferenzierungen der einzelnen Genres. Erst unter
dem Konkurrenzdruck des neuen gesellschaftlichen Leitmediums Fernsehen
und im Zuge einer sich neu formierenden Popkultur geriet das Hollywood-System,
gerieten später auch andere nationale Filmindustrien in die Krise.
Daß ‚Papas Kino’ tot sei, wurde zur programmatischen Überzeugung
der ‚neuen Wellen’ der sechziger und siebziger Jahre, in der französischen
Nouvelle vague ebenso wie im neuen deutschen Film. Insofern liegt es nahe,
den Beginn des ‚modernen Films’ auf das Jahre 1960 zu datieren.
Sehen wir davon ab, dass in diesem Text das Akademische: die Paratexte
Fußnote, Zitat, Verweis u. ä. fehlt, ist eine solche Periodisierung
des ‚modernen Films’ nicht unproblematisch; das Epochenkonzept führt
zu einer Verengung der historischen Perspektive, indem es die Traditionslinie
der filmischen Avantgarde, die von Eisenstein und René Clair über
Maya Deren und Kenneth Anger bis zu Jean-Luc Godard reicht, ausblendet.
Dem Epochenmodell der Filmgeschichte hat Godard selber eine Alternative
gegenübergestellt: Histoire(s) du Cinéma. 1988–1998. 4 Video-Kassetten
(4h40’).
Vollkommen undidaktisch aufgebaut sind die Histoire(s) alles andere
als eine konventionelle Filmgeschichte. Die acht Kapitel der Kino-Geschichte,
die mit James Stewarts Teleskop aus Rear Window beginnen und mit einer
Rosenknospe enden, gründen auf den Reproduktions-möglichkeiten
der Videotechnologie.
Die Zergliederung der Filmaufnahmen in Slowmotion sowie in Standbilder
und die nachträglichen Überblendungen öffnen der filmischen
Analyse neue Perspektiven, auf eine ähnliche Weise, wie die Fotografie
der Kunstgeschichtsschreibung einst zu neuen Impulsen verholfen hat. An
die Stelle der chronologischen Historiografie ist eine assoziative Erzählstruktur
getreten – gemäß der These Walter Benjamins, dass die Geschichte
eine Konstellation sei, in der Vergangenheit, Gegenwart und die „splitterartig
darin enthaltene messianische Zeit“ eine „vergleichbare Leuchtkraft besitzen“.
Die Präsentation der Histoire(s) wird das Vergleichs- und Kommentarverfahren
Godards mit Ausschnitten demonstrieren und die Ausschnitte wiederum kommentieren.
Dr. Rainer Vowe
eigentlich Historiker, der – typisch für die 1980er Jahre – über Umwege
zu Film und Fernsehen als kulturwissenschaftlichen Gegenständen kam. Nach
Assistenzen in Göttingen und Kiel Studienleiter beim Ev. Studienwerk Villigst;
verschiedene Lehraufträge für Film, jetzt beim Institut für Medienwissenschaft
der Ruhr-Universität Bochum; einschlägige Zeitschriftenartikel zu
Antiken- oder Sandalen-Filmen, Trümmerfilme (das sind deutsche Filme nach
1945). Interessensgebiete: Politik und Bilder, Sport im Fernsehen, Western und
Filmgeschichtsschreibung.
Hinweise auf Filmvorführungen
Zur Erinnerung an Nicolas Born:
Dichter und Schriftsteller Zwei Vorträge und eine Filmvorführung im Atelierhaus – Alte Schule – |
XXXIII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte
Perspektiven
am 12. Dezember
2004 ab 17 Uhr
Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
Skeptiker und Liebling des Literaturbetriebs
Ein Vortrag über Leben und
Werk des Schriftstellers
Nicolas Born, anlässlich seines 25.Todestages
am 07.12.2004
Nicolas Born, geboren am 31.12.1937 in Duisburg, gestorben am 07.12.1979
in Breese in der Marsch (Kreis Lüchow-Dannenberg), war vor seinem
tragischen Krebstod kurz vor Vollendung des 42. Lebensjahres ein bekannter
und renommierter Schriftsteller und laut Aussage seines Freundes Günter
Kunert "der wichtigste westdeutsche Schriftsteller der 70er Jahre."
Von 1950-1965 lebte er in Essen, verbrachte also hier seine prägenden Jahre als Jugendlicher und junger Erwachsener. 1975 kam er nach Essen zurück - als "Poet in residence", auf Einladung der Universität/GH Essen.
Entdeckt wurde er von Dieter Wellershoff, der damals als Lektor beim
Verlag Kiepenheuer &Witsch arbeitete. Die Kritik rühmte 1972 seinen
Gedichtband "Das Auge des Entdeckers", womit ihm der literarische Durchbruch
gelang.
Einem breiteren Publikum wurde Born durch seine Romane "Die erdabgewandte
Seite der Geschichte" (1976) und vor allem "Die Fälschung" (1979)
bekannt, kongenial von Volker Schlöndorff mit Bruno Ganz und Hannah
Schygulla 1981 verfilmt. Born erhielt den Bremer Literaturpreis und kurz
vor seinem Tod den Rainer-Maria-Rilke-Preis. Zu seinen Freunden zählten
Günter Grass, Friedrich Christian Delius und Peter Handke.
Nicolas Born war zweimal verheiratet und hat drei Töchter.
Aus Anlass seines 25. Todestages wurden seine Gedichte (auch mit zusätzlichem unveröffentlichten Material) von seiner Tochter Katharina Born neu herausgegeben.
Die Essener Literaturwissenschaftlerin Martina Meister, die auch mit Born verwandt ist und ihre Magisterarbeit über ihn verfasst hat, wird einen nicht unkritischen, leicht nostalgischen Rückblick auf sein Werk und seine Bedeutung als Autor geben.
Martina Meister, geb. 1959, Literaturwissenschaftlerin, Autorin von Gedichten und Kurzgeschichten, arbeitet zur Zeit an ihrem ersten Roman. Lesungen, u.a. in der Stadtbibliothek Essen. Diverse Veröffentlichungen, u.a. in der "Nationalbibliothek des deutschsprachigen Gedichts"(2003).
Beginn des Vortrags von Martina Meister um 17 Uhr
Die Fälschung: Der letzte Roman von Nicolas Born
Obwohl Nicolas Borns Roman Die Fälschung bereits vor 25 Jahren
erschien, hat er im Grunde nichts von seiner Aktualität verloren.
Leider, müsste man hinzufügen. Denn noch immer beherrscht der
Bürgerkrieg den Nahen Osten; und noch immer versuchen die verschiedenen
Medien, die richtigen, die wahren "Bilder" von der Front wie vom Alltag
zu liefern. Und zuletzt: der Journalist zwischen aufklärerisch-kritischer
Einstellung einerseits und sensationslüsterner Erwartungshaltung andererseits.
Diesen zentralen Konflikt schildert Born am Beispiel eines Hamburger
Reporters, der sich in Beirut/Libanon in jeder Hinsicht in einer fremden
Welt wiederfindet, "ein Dabeisein ohne Dasein". Aus der beruflichen Krise
der Hauptfigur erwächst allmählich eine persönliche, die
sich vor allem auf seine Beziehungen auswirkt (Ehe/Freundin) und die ihn
im Fazit von "einer Fälschung" sprechen lässt.
Damit geht Nicolas Born in seinem Journalistenroman über das eigentliche
Thema zeitgenössischer (Kriegs-)Berichterstattung hinaus und weitet
es am Ende gar zu einem vorsichtigen Plädoyer für Literatur.
Dr. Dirk Hallenberger
Geboren 1955 in Velbert, Studium der Germanistik und Allgemeinen Sprachwissenschaft
in Bochum. Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Lehrbeauftragter
für Germanistik/ Literaturwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen,
Kursleiter der Literaturwerkstatt
an der VHS Essen.
Veröffentlichungen: Die Sprache im Ruhrgebiet (2 Bde.) 1990 (m.
Johannes Volmert),
Industrie und Heimat. Eine Literaturgeschichte des Ruhrgebiets 2000,
Literarischer Stadtführer Essen 2002 (m. Walter Wehner).
Beginn des Vortrags von Dirk Hallenberger
um 19Uhr
Filmvorführung
um 21 Uhr 30
Die Fälschung
Regie Volker Schlöndorff
BRD, Frankreich 1981
105 Min.
mit Bruno Ganz und Hannah Schygulla
" Jedes Wort ist eine Tätlichkeit und eine zärtliche
Berührung des Lebens" (Nicolas Born)
NICOLAUS BORN geb. 31.12.1937
† 7.12. 1979
Noch im Buchhandel erhältlich:
Nicolas Born Die Fälschung, Rowohlt Tachenbuch Verlag, Reinbek
bei Hamburg, 8.Auflage 2002;
Nicolas Born Gedichte , Hrsg. Katharina Born, Wallstein-Verlag, Göttingen
2004;
Nicolas Born Gedichte , Hrsg.u.Nachwort Peter Handke, Suhrkamp-Verlag,
Frankfurt a.M. 1990;
Nicolas Born Täterskizzen - Erzählungen, Hrsg. Ralf Junkereit,
Rowohlt Verlag 1983;
Nicolas Born Die Welt der Maschine - Aufsätze und Reden, Hrsg.
Rolf Haufs, Rowohlt Verlag 1980;
Christina Beyer u. Axel Kahrs Der Landvermesser - Gedenkbuch für
Nicolas Born, Dietrich zu Kampen Verlag,
Springe 1999.
Die Poesie, die Kunst: Querverbindungen, Echos, Affinitäten
Andreas Weiland liest Gedichte zu Werken bildender Kunst |
XXXII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte
Perspektiven
Sonntag, den 26. September 2004 ab 17
Uhr
Atelierhaus - Alte Schule -Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
Die Poesie, die Kunst...
Der in Aachen lebende Dichter Andreas Weiland hat sich – in Prosatexten
und poetischen Texten – immer wieder mit Werken der bildenden Kunst auseinandergesetzt.
Davon zeugen unter anderem die Gedichte in dem Katalog „Dekonstruktionen“,
herausgegeben von Klaus Honnef aus Anlaß der Einzelausstellung Doris
Schöttler-Bolls im Landesmuseum Bonn, sowie sein jüngster Gedichtband,
die „Kranenburg Poems“, ein Geschenk zum 60. Geburtstag an den kanadischen
Künstler Angelo Evelyn, für den Hans van der Grinten kurz vor
seinem Tod eine große Werk-Retrospektive in Kranenburg ermöglichte.
Der Kritiker G. Hénaux sieht in den von Werken der bildenden
Kunst inspirierten Texten Weilands „Echos“, er erkennt „Querverbindungen“
zwischen Weilands Wortkunst und der visuellen Kunst, er verweist auf „Affinitäten“,
etwa bezüglich der Montagetechnik oder hinsichtlich der assoziativen
Verfahren, die den ansonsten so differenten Werken zugrunde liegen können.
Mit Recht wichtig erscheint ihm die Tatsache, daß die Gedichte nicht
versuchen, die Bilder zu „übersetzen“ oder zu „verdoppeln“ noch auch,
eine gültige Lesart zu konstituieren. Am ehesten scheint es sich um
produktive Antworten auf vorgefundene Werke der bildenden Kunst zu handeln:
Antworten, die etwas vom Vorgefundenen aufnehmen, es aber auch zugleich
überschreiten.
Biographische Notiz
Die erste öffentliche Lesung Andreas Weilands, zusammen mit dem englischen ‚Underground-Poeten’ Mike Horowitz, war in Bochum gegen Ende der 60er Jahre. Etwas später begegnete er Jean-Marie Straub, der eines seiner Gedichte übersetzte und (auf Französisch und Deutsch) in den Cahiers du Cinéma veröffentlichte. Erich Fried nannte 1981 seine Arbeiten die wichtigsten, ob nun veröffentlicht oder nicht, die ihm in Deutschland in den letzten Jahren unter die Augen gekommen seien. Für Nicolas Born war er „der geborene Lyriker“. Jürgen Theobaldy publizierte ihn bereits früh in seiner Zeitschrift BENZIN und später in einer Anthologie mit dem Titel „Und ich bewege mich doch....“
Nachdem er einige Jahre englische und deutsche Literatur in Taiwan unterrichtet hatte, kehrte Weiland nach Europa zurück und fuhr fort, über Film, die Kunst, Politik und Stadtplanungsgeschichte zu schreiben. Er publizierte Gedichte in Zeitschriften (wie dem KONKURSBUCH und der kultuRRevolution) und Ausstellungskatalogen sowie bei Kleinverlagen einige Gedichtbände.
Auszüge seiner filmkritischen Essais zu Arbeiten von Dore
O. und Massimo Bacigalupo wurden im Internet veröffentlicht von Canyon
Cinema Inc., San Francisco und der New York Film-Makers’ Cooperative.
Er übersetzte Gedichte von Robert Creeley, Barbara Guest, Cid
Corman, Volker Braun, D.E. Sattler, Pavel Jansky, Seferis, Elytis, Empeirikos
und ist Mitübersetzer, zusammen mit Fang Weigui, des Bandes „Den Kranich
fragen“ (150 Gedichte von P’o Ch’ü-yi).
DIE POESIE, DIE KUNST: Querverbindungen, Echos, Affinitäten
Das Aufeinanderstoßen der Kunstformen – provozierte es nicht immer
schon Innovation, neue Sichtweisen, vielleicht: neue Einsichten? In den
Romanen von Dos Passos war es der Einfluß filmischer Schnitt- und
Montagetechnik, der sich bemerkbar machte. In der Poesie der Surrealisten
kamen die Impulse aus Bereichen jenseits der Kunstformen: aus der Philosophie
der Romantik, von der Psychoanalyse, die einer radikalen Lesart unterworfen
wurde, und vom libertär-anarchistisch interpretierten Marxismus.
Filmisches, eine Montage von Sinneseindrücken, Gedankenfetzen,
aus dem Radio oder im Bus, in Kneipen aufgeschnappte Worte, bisweilen gekoppelt
mit Literatur-Zitaten, dies ist schon in den 60er und 70er Jahren kennzeichnend
für jene Art Poesie, die Weiland schreibt im Bewußtsein, daß
es darum gehen könnte, eine Art écriture automatique, ein spontanes,
unzensiertes Schreiben aus dem Augenblick heraus zu verbinden mit politischem
Engagement.
Schon damals tauchen bei ihm Texte auf, die sich der bildenden Kunst
und ihren Produzenten annähern: ein Gedicht, das ein enigmatisches
Statement von Klee zitiert, ein „Zwei Pseudo-Magrittes“ betiteltes
Gedicht, mehrere die Situation Gauguins, des mittellosen Malers, in der
französischen Pazifik-Kolonie reflektierende Gedichte.
In eine Art intensive Konzentration eintauchend, welche ihn für
den Moment des Schreibens von der „sonstigen“ Welt abschottet, verfasste
Weiland immer wieder auch poetische Texte im Angesicht von Werken der bildenden
Kunst. Er verstand sie als „Protokolle eines Sehens“, das Ausschlagen,
die Spur des inneren, gleichzeitig Gedanken und Emotionen registrierenden
Seismographen, im Moment der Konfrontation mit ästhetisch, aber auch
intellektuell starken Katalysatoren. Es ging ihm um das Festhalten, in
den sich einstellenden Worten, einer Spurensuche, eines „Lesens“
in dem Wachheit und Offenheit heischenden Werk, dem er sich jeweils gegenüber
sah. Nicht als Kunsthistoriker, als Zeitgenosse versucht er in ihnen zu
lesen, sie zu verstehen. Nicht mit dem Anspruch, die letzte Wahrheit über
ein Werk auszusprechen, sondern lediglich jenem, einen Momenteindruck aufzuzeichnen,
die Vibrationen zu registrieren, die ein Werk in diesem oder jenem Moment
(einem spezifischen Moment, wie wir wissen) auslöste.
So entstanden Texte im Moment der Betrachtung von Werken einer ganzen
Reihe zeitgenössischer Künstler: Nan Hoover, Doris Schöttler-Boll,
Eu-Nim Ro, Angelo Evelyn, Tony Morgan... Aber auch Anklänge an Werke
von Werefkin, oder Charles Demuth finden sich schon früh. Und wie
in den Texten, die in einer durch die intensive Aufmerksamkeit, die sie
erfordert, privilegierten Alltagssituation entstehen, so überschreitet
auch hier, im Angesicht eines Werks der bildenden Kunst, der entstehende
Text den Vorwand, den Anlaß, das als Katalysator wirkende visuelle
Kunstwerk. Assoziationen, aus Bereichen jenseits der Kunst, mischen und
durchkreuzen und überlagern sich mit dem, was die vorgefundene Arbeit
selbst bereit hält. Willkürlich? Vermutlich nicht. Die Wortkunst,
die visuelle Kunst, um die es geht, existieren in derselben Gegenwart,
entspringen aus ihr, stellen sich vielleicht zu ihr quer, antworten oder
hinterfragen, ironisieren oder verklären.
Wenn auch, in der bildenden Kunst wie in der Poesie, die Montage von
Versatzstücken, entnommen der Endlosspur der Impressionen und Impulse
der Wirklichkeit, den in ihr flottierenden „Sprechweisen“, Gedanken
und Emotionen, als der heute noch fruchtbarste Weg künstlerischer
Produktion sich erweist, wenn auch die Realitätsbezüge (ob verdeckt
oder nicht), in beiden Bereichen einen hohen Stellenwert haben, so kommt
doch immer auch, in den Texten Weilands, ein Überschuß
ins Spiel: etwas, das alles Vorgegebene überschreitet und das häufig
sein Pendant findet in einem vergleichbaren Überschuß jener
Werke der bildenden Kunst, denen er sich zuwendet und zu denen er sich
hingezogen weiß.
Es wäre verkürzend, hier vom „subjektiven Faktor“ zu sprechen: nennen wir es also die Imagination, die Sehnsucht nach dem Anderen, Unerreichten, einem Reich der Freiheit, einem unbenennbaren, das sich immer nur andeutet und zwischen den Zeilen aufscheint - oder aber: in der Sinnlichkeit der Farben, ihrer Formen und Konturen, ihrer konkreten Realisation.
Es ist diese Affinität des im Unausgesprochenen, zwischen den Zeilen, in der Spannung der Formelemente, sich andeutenden Verlangens nach einer anderen Welt, einer Welt großer Schönheit und Wahrhaftigkeit und Befreiung von Knechtschaft, welche – über alle Parallelen der assoziativen Verfahrensweisen oder des Festhaltens am Collage- und Montageprinzip hinaus – das Interessanteste der heutigen Poesie mit der bildenden Kunst verbindet.
G. Hénaux
Bewegtes Kulturleben
Kinos in Essen Christoph Wilmer (Historiker) und Erwin Wiemer (Filmer) |
XXXI. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 24.September 2004 um 20 Uhr
Atelierhaus -Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
Kino-Stadt-Geschichte
Bilder in Bewegung zu bringen war zu Beginn des 20.Jahrhunderts eine technische Sensation, dieser technische Sprung revolutionierte aber auch gleichzeitig die Form der Aneignung von Kultur. Pointiert gesagt: Während der Bürger ins repräsentative Theater ging, begann die Kinogeschichte mit Wandervorführungen in Gaststättensälen und erreichte damit schnell eine bislang noch nicht gekannte Massenwirkung. Die großen, festen Lichtspielhäuser, die nun bald entstanden, lehnten sich zwar in ihrer Ausstattung an die Ausstattung von Theaterbauten an – das beste Beispiel dafür ist die Lichtburg in Essen – die Zielrichtung ging aber auf günstige Unterhaltung für alle.
Die Statistiken zeigen, daß dies Konzept auch nach dem zweiten Weltkrieg noch funktionierte; wir können uns heute kaum noch vorstellen, wie viele Kinos selbst in den Stadtteilen ihr Publikum fanden. Die Wende kam hier erst mit dem Fernseher, der jetzt – wie einst das Kino – wiederum die Massen in einer ganz neuen Weise erreichte.
Langes Sterben der Filmtheater und Konzentration im Kinogeschäft
war die Antwort,
die aktuelle Entwicklung scheint auf einen gewissen Überdruss
an den Multiplexkinos und auf einen neuartigen Verdrängungswettbewerb
hinzudeuten. Dadurch entstehen neue Chancen für Kinos, die mit ihrem
Ambiente punkten können; ein historischer Filmpalast wie die Lichtburg
wird plötzlich wieder hochaktuell.
Kinogeschichte einer Stadt am Beispiel der Lichtburg – sicherlich die
Basis für einen spannenden Abend mit interessanten Gesprächen.
Christoph Wilmer, Essen und Himmerod/Eifel, Historiker und Gästeführer
im Ruhrgebiet, beschäftigt sich mit Stadtgeschichte und Regionalentwicklung
im Ruhrgebiet, Autor der Jubiläumsfestschriften der Lichtburg Essen.
"LICHTBURG 1928 – 2003 ... viel passiert"
Portrait des größten Filmpalastes Deutschlands von 1928
bis zur Wiedereröffnung im März 2003
Videofilm (85 Min) von Erwin Wiemer
Die Dokumentation erzählt die Geschichte der Lichtburg von der Eröffnung in der Stummfilmzeit (1928) über die Zerstörung im 2. Weltkrieg, den Wiederaufbau, die Nachkriegszeit (als wichtiges Premierenkino), den Beginn des zunehmenden Einflusses des Fernsehens auf Programm und Zuschauerzahlen, bis zu den jüngsten Bedrohungen des historischen Kinosaales durch Schließung oder sogar Abriss.
Der Schwerpunkt liegt in der Entwicklung seit 1998:
Übernahme des Filmpalastes durch die Essener Filmkunsttheater
Premieren seit 1998
Bedrohung durch Abrisspläne
Ratsbeschluss zum Erhalt des historischen Saales
Umbau und Renovierung
Wiedereröffnung.
Die Dokumentation endet mit Bildern der glanzvollen Premiere von "Das
Wunder von Bern".
Erwin Wiemer
Erwin Wiemer, Studium der Geographie und Kunst in Essen und Düsseldorf,
Ausbildung Kamera, Schnitt, 2d und 3d Animation, seit 1987 Videos für
Künstler, Theatervideos, Dokumentationen, Experimente...
Anmerkungen zur Veranstaltung
Bewegtes Kulturleben – Kinos in Essen
Freitag, den 24.September 2004 um 20 Uhr
Liebe Freunde und Nachbarn der Alten Schule, liebe Gäste,
wenn an diesem Abend des 24.September 2004 die Lichtburg im Zentrum
der Betrachtung und Erinnerung steht, durch die Videodokumentation von
Erwin Wiemer und einen Vortrag des Historikers Christoph Wilmer , so wünschen
wir uns aber darüber hinaus, daß wir im Anschluß
an Film und Vortrag auch über die Kinos in den Stadtteilen sprechen
werden.
Wir denken da an Steele mit seinem Gloria-Kino im Rott, dem Union auf
der Bochumer- und dem Luna auf der Westfalenstraße, den Kammerlichtspielen
im späteren Kaufhaus Renken, und nicht zuletzt an das kleine Kellerkino
Camera im Rewe-Center. Und gleich nebenan in Kray: das Walhalla, das Deli
und später noch das Filmeck. Obwohl keines dieser Kinos mehr existiert,
kann ihre Geschichte lebendig werden über Geschichten, die wir erzählen
können.
Und wer mit dem KINO und nicht mit dem Fernseher groß wurde, kann
gewiß in besonderer Weise dazu beitragen, daß der Freitag Abend
interessant, spannend und lebendig wird.
Denken wir da nur an die Kindervorstellungen am Sonntag, oder die –
vielleicht heimlich besuchten – Nachmittagsvorstellungen: Der dunkle Raum,
die Wiederkehr der Verzauberung, als das Erleben der Bilder für einen
noch neu und ungeheuer war.
Vielleicht können auch einige von uns über Filmclub-Erfahrungen
berichten, von den Orten, die es ja auch schon gab (wie der Filmclub Essen,
der seine Filmabende im Museum Folkwang veranstalten konnte, oder der Studienkreis
Film an der Ruhr-Universität Bochum). Gibt es da heute ähnliche
Initiativen?
Zugleich soll auch schon darauf hingewiesen werden, daß ich während
der KUNSTSPUR 2004,
mit einigen Freunden und Sympathisanten und mit der Unterstützung
des Instituts für Medienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum,
den Club der bewegten Bilder –"Klappe auf" hier im Atelierhaus
– Alte Schule – ins Leben rufen möchte – und zwar am
Samstag, den 25. September um 17 Uhr. Auch dieses Vorhaben ist
– wie schon das Green Card Projekt– ein Echo der hier beheimateten Vortragsreihe
PERSONEN PROJEKTE PERSPEKTIVEN.
Einen Raum für bewegte Bilder – in der Alten Schule, d.h. im Atelierhaus
für Kunst-Medien-Kommunikation zu etablieren, ist doch etwas sehr
Naheliegendes, da die Medien Film und Video (analoge, aber auch digitale
Bilder) in der Kunst von Bedeutung sind. Das dann hier im Hause die Möglichkeit
besteht, sich nicht nur gemeinsam Filme anzusehen, zu reflektieren (dank
Video und DVD das Gesehene wiederholt zu sehen, somit das eigene Sehen
quasi zu verifizieren), sondern darüberhinaus auch das Programm gemeinsam
zu gestalten (das primär den "Experimentellen Film", den "Kunstfilm"
also, aber auch den "Dokumentarfilm" und zudem
den "Spielfilm" berücksichtigen wird) möchte ich ganz besonders
hervorheben.
Wir freuen uns auf den Abend mit Ihnen, mit Euch –
und wir würden es sehr schön finden, wenn es am nächsten
Tag gemeinsam weiterging.
Einstweilen grüßen wir sehr herzlich
Doris Schöttler-Boll
Maya Deren : Kino-Trance
Vortrag von Ute Holl |
XXX.Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 3.September 2004 um 20 Uhr
Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
Maya Deren:Kino-Trance
Maya Deren hat ihre Filme von Anfang an auch als Möglichkeit verstanden,
sich selbst
zu verwandeln. An der Schnittstelle von Körperlichkeit und Imagination,
als die sie das Kino verstanden hat, entwickelte sie Formen der Trance
und Transition, die nicht nur für den Raum des Kinos, sondern, grundlegender,
für die Transformation einer Kultur gelten sollten. Auf diese Weise
hat sie eine Medientheorie, wie sie viel später erst von McLuhan formuliert
wurde, unmittelbar in den Dienst einer kulturellen Subversion gestellt.
Während die Effekte von Derens Filmarbeit sich erst in den fünfziger
und sechziger Jahren als tatsächliche Einflüsse der Avantgarde
auf die amerikanische Kultur der Körper, der Sinnlichkeit, der Kritik
zeigten, hat Deren selbst das, was ihr als Kulturtechnik des Filmischen
erschien, in Haiti wiedergefunden, in den Praktiken der Voudoun.
An ihren Filmarbeiten auch aus diesem Kontext möchte ich zeigen,
inwiefern die kühle Praxis der Filmtechnik Trancetechnik wird und
zugleich ein präzises Bewußtsein für Beziehungen produzieren
kann.
Ute Holl
Maya Deren
Eine Biographie
Am 29.April 1917 wird in Kiew Eleonora Derenkovskaja geboren. Ihre Mutter nennt die Tochter nach ihrem Idol, der Duse. Marie Derenkovskaja wird ihre Tochter ein Leben lang vorbehaltlos unterstützen. Der Vater ist Psychiater, Jude, Anhänger Trotzkis. 1922 muß die Familie in die USA emigrieren und amerikanisiert den Namen. Solomon Deren wird in der Universitätsstadt Syracuse Kinderpsychiater. Eleonora Deren studiert Journalismus, später in New York Literaturwissenschaften und belegt Kurse an der New School of Social Research. Sie schreibt Gedichte, engagiert sich in der „Young Peoples Socialist League“ und ist kurzfristig mit einem Gewerkschafter verheiratet. Eleonora Bardacke. Nach ihrem Studium wird sie Journalistin. Sie interessiert sich für Tanz, für Randgebiete der Psychologie, wird Managerin der haitianischen Tanzgruppe der Ethnologin Catherine Dunham und schreibt über Tanz und Besessenheit im Voodoo.
Auf einer Tournee lernt Deren 1942 in Los Angeles den tschechischen Dokumentarfilmer Alexander Hackenschmied kennen. Die beiden heiraten kurz darauf und machen ihren ersten Film gemeinsam: Meshes of the Afternoon. Deren amerikanisiert Hackenschmied: Hammid. Und der gibt Eleonora den Namen Maya.
1943 ziehen Deren und Hammid nach New York. Hammid arbeitet für das „Office of War Information“. Ihre Wohnung im Greenwich Village wird zur Übergangswohnung vieler junger Künstler und Filmemacher. Fast nur Männer. Mit einer 16 mm Bolex, mit überlagertem Material, mit der Hilfe von Freunden, „mit weniger Geld als eine Hollywoodproduktion für Lippenstift ausgibt“ arbeitet Maya Deren an weiteren Filmen. Sie schneidet zuhause am einfachen Betrachter. Witch’s Cradle (1943) bleibt unvollendet. Als At Land (1944) und A Study in Choereography for the Camera (1945) fertig sind, inszeniert Deren ihren ersten Coup. Im Februar mietet sie das Provincetown Playhouse und zeigt ihre Filme öffentlich. Eine Pioniertat im amerikanischen „Kino“, das den Studioproduktionen vorbehalten oder in die Gemeindehäuser der Kirchen verwiesen war. Und ein Gründungsakt für das New American Cinema. Derens Tat wird zum Programm: in öffentlichen Räumen die persönlichen Arbeiten zeigen. 16mm wird zur Kunstform, deshalb ist Deren, schrieb Brakhage, “the mother of us all“. In Ritual in Transfigured Time (1945-46) spielen allerhand Persönlichkeiten der New Yorker Künstlerszene mit. Im Sommer 1946 schreibt Deren ihren Essay „An Anagram of Ideas on Art“; „Film and Form“, in dem sie Film als Kunstform unter neuen Gesichtspunkten beschreibt: eine frühe Medientheorie des Films.
1946 erhält Deren als erste ein Guggenheim-Stipendium
für Filmkunst. Sie entwirft ein ethnologisches Filmprojekt, das Mead
und Bateson unterstützen. Von 1947 bis 1951 reist sie insgesamt viermal
nach Haiti.
Dort studiert sie den Voodoo, dreht bei Ritualen, fotografiert und
nimmt mit einem einfachen Tonband Musik und Gesänge auf. Sie wird
selbst initiiert. Die fünf Stunden Material wird Deren, für die
der Schnitt eine so entscheidende Phase in der Filmarbeit war, nie schneiden.
In New York schreibt sie das Buch „Divine Horsemen“; „The Living Gods of
Haiti“, das bis heute zur ethnologischen Grundlagenforschung des haitianischen
Voodoo zählt. Inzwischen lebt Deren mit dem jungen japanischen Komponisten
Teiji Ito zusammen, der ihre Filme vertont und der, posthum, ihr Haiti-Material
zu Texten aus „Divine Horsemen“ zusammenschneiden wird.
In den folgenden Jahren verdient Maya Deren durch Vorträge und
Artikel in Magazinen den Lebensunterhalt für sich, Ito und viele Katzen.
Ihre
Filme und ihre theoretischen Arbeiten lassen sich in keiner Form institutionalisieren.
Das enorme Arbeitspensum hält Deren dank Benzedrine durch. 1959 entsteht
ihr letzter Film: The Very Eye of Night. Am 13. Oktober 1961 stirbt Maya
Deren plötzlich an den Folgen einer Gehirnblutung.
Ute Holl (Weimar)
Zur Person
geboren am 4.Mai 1960
Schule in Deutschland und Südafrika, Abitur Juni 1979
ab WS 1979 Studium der Germanistik, Geschichte
und Philosophie in Freiburg/Breisgau und Rom
im Juli 1986 Magister Artium
ab 1986 Gründungs-Lektorin des Kore-Verlags, Freiburg/Br.
Betreuung von Publikationen zur Geschichte und Gegenwart
der Psychoanalyse, der italienischen Genderstudies, die unter
dem Titel "affidamento" firmierten, und der entsprechend
dekonstruktivistischen Musikwissenschaft.
ab Herbst 1988 freie Dokumentarfilmerin und Mitarbeiterin
im Kollektiv der Medienwerkstatt Freiburg: Recherche,
Drehbücher, Schnitt. Später Kamera (Video und 16mm).
Grundkurse in Kamera- und Schnitttechnik. Aufbau eines
Video-Archivs sozialer Bewegungen, in Kooperation mit
dem Hamburger Institut für Sozialforschung.
Regelmäßig Film- und Buchkritiken in der Zeitschrift "1999".
Organisation und Durchführung des Videoforums, eines
Dokumentarfilmfestivals mit thematischen Schwerpunkten
und entsprechenden Vortragsreihen.
ab WS 1991/1992 Lehrveranstaltungen an der Hochschule
für bildende Künste Hamburg (Professur Dokumentarfilm,
Gerd Roscher). Edition der Schriften Maya Derens zusammen
mit Jutta Hercher, material –Verlag der HfbK.
Gründungsmitglied des (prämierten!) Off-Kinos "Lichtmess"
in Hamburg: Projektionen, Programme, Vorträge, Reihen,
Seminare.
1993 – 1995 Redakteurin im NDR, Redaktion "Film und Theater".
Konzeption und Betreuung der Spielfilmprogramme von N3.
Verschiedene Dokumentationen und Beiträge zu filmhistorischen
und filmkundlichen Themen. Betreuung der Nachwuchsreihe
junger Regisseure im NDR.
1995 längere Aufenthalte in den USA.
Recherchen im Maya Deren Nachlaß in der Mugar Library, Boston.
Regieassistenz bei Scott Saunders, New York
("The Headhunters‘ Sister")
Co-Produktion und Line-Production bei Karl Nußbaum, New York
("Images of the Optic-Cross" und "Eros and Thanatos")
Juli 1997 Geburt des Sohnes Moses.
1998 Stoffentwicklung und Dreharbeiten für das Dokumentarfilm-
projekt "Inside Out" zur Geschichte technischer Körperbilder aus
der Medizin, gefördert durch die Filmförderung Hamburg.
Produktion "next-film", Hamburg.
2001 Dissertation: "Kybernetik und Kino. Die Medientheorie
Maya Derens im Zusammenhang einer Geschichte
kinematographischer Bewegung".
Seit April 2001 Habilitationsstipendiatin
an der Bauhaus-Universität Weimar,
Fakultät: Medienkultur (Prof.Joseph Vogl)
Publikationen (Auswahl)
Herausgabe und Nachwort "Choreographie für eine Kamera"
Maya Derens Schriften zum Film. Hamburg 1995
"Moving the Dancers‘ Souls" in: "Maya Deren and the American
Avantgarde", Bill Nichols (Hg.) University of California Press.
Berkeley etc. 2001
Kino, Trance und Kybernetik.
Verlag Brinkmann & Bose , Berlin 2002
Suchbilder
visuelle Kultur zwischen Algorithmen und Archiven
hrg. zusammen mit Wolfgang Ernst,
Kadmos Kulturverlag ,Berlin 2003
Filme u.a.:
1983 "So spät wie gewöhnlich"
U-matic, 25 min., Premiere auf den ethnologischen
Filmtagen, Wien
1990 "Goldwitwen"
Beta-Sp, 42 min. , Erstsendung WDR: 1.6.1990
1991 "Yayla"
16mm, 42 min., Sendung NDR: 11.1.1993
1993 "To see/sea with Carmen"
Portrait der New Yorker Künstlerin
Carmen Einfinger
Hi-8, 15 min., Erstaufführung in der Gallery
"Bowery.Art" New York
1994 "Der schnellste Weg zum Diesseits"
Hi-8, 42 min., Erstsendung NDR 19.3.1995
1995 "Wie haben Sie das gemacht, Mr. Donen?"
5-teiliges Interview
Beta- Sp. 5x10 Min., Sendungen NDR: 15.4.1996,
22.4.1996, 29.4.1996, 6.5.1996
Seit 1993 jährlich "Kino aktuell"
über den skandinavischen und baltischen Film
Beta-SP, 9x42 min.
"VERSCHOBENE PERSPEKTIVEN: EINBRUCH
DES REALEN /
Künstlerisch-mediale Transformationen
sexuellen Begehrens / sexueller Lust"
Erwünschte Gewalt?
Schmerzlust statt Liebesleid Vortrag von Anna Zika |
XXIX. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 16. Juli 2004 um 20 Uhr
"Welche andere uns nicht zugestandene Freiheit
soll durch die Erlaubnis der Tabudurchbrechung
gestopft werden ?" (Günther Anders)
Erwünschte Gewalt ?
Schmerzlust statt Liebesleid
Martha, einer der frühen Filme von Rainer Werner Faßbinder
(der allerdings erst in den 1990er Jahren in einigen Kinos gezeigt wurde),
repräsentiert eine etwas altjüngferliche Protagonistin,
die durch den Tod ihres Vaters "führerlos" wird und sich unerwartet
in der Beziehung zu einem dominanten, sadistisch veranlagten Mann wiederfindet.
Martha kann sich der Unterwerfung nicht entziehen und gerät nach einem
Unfall in bleibende Abhängigkeit, die sie zu genießen scheint.
Autorinnen und Regisseurinnen der neueren Film- und Literaturgeschichte bieten differenzierte Sichten auf den Kampf um Macht, das Vexier-Spiel mit Opfer-/Täter-Rollen. Lassen "perverse" Formen weiblicher Sexualität schiere Sinnlichkeit an Stelle emotionaler Bindungen treten? Können masochistische Frauengestalten heute in Film und Buch – anders als Martha – ihre Körper lustvoll zur Verfügung stellen, ohne ihre geistig-seelische Freiheit aufzugeben?
Im Zentrum stehen die Filme Romance von Catherine Breillat und Die Klavierspielerin (Michael Haneke) nach dem gleichnamigen Roman von Elfriede Jelinek; sie werden auch auf surrealistische Bildtraditionen hin befragt, zumal die Surrealisten eine wesentliche Vermittlerrolle bei der "Wiederentdeckung" de Sades im 20.Jahrhundert gespielt hatten.
Prof. Dr. Anna Zika
Studium der Kunstgeschichte, Neueren Deutschen Literaturgeschichte
und Geschichte an der RWTH Aachen, Magister 1996 mit einer Arbeit über
den Wörlitzer Park, wiss. Mitarbeiterin Lehrstuhl für Ästhetik
(Prof. Dr. Bazon Brock), Universität Wuppertal, Promotion 2001 mit
einer Arbeit zur Kulturgeschichte des gestalteten Bodens; seit Wintersemester
2001/2002
Professorin für Theorie der Gestaltung an der Fachhochschule Bielefeld.
Publikationen und Vorträge zur Kunst- und Kulturgeschichte des
17.-21.Jahrhunderts.
Claudia Gehrke.
Überraschende Transformationen: Lust, Leidenschaft und Sexualität in Literatur und Kunst |
XXVIII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte
Perspektiven
Freitag, den 14. Mai 2004 um 20 Uhr
Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen – Steele
Claudia Gehrke. Überraschende Transformationen:
Lust, Leidenschaft und Sexualität in Literatur und Kunst
"Mir ist egal, was die Feministinnen sagen, mir ist egal, was Elfriede
Jelinek sagt, mir ist egal was meine Eltern sagen und die Nachbarn. Ich
will Sex. Sex will ich. Sex und Sprache..."
(die Schriftstellerin Nicole Müller in einem "programmatischen"
Essay zur Frage "Wie Es ist")
Im Anschluß an einige Rückblenden in die Zeiten vor Entstehung
des Ideals der
"romantischen Liebe" möchte ich von den Metamorphosen der Konstruktion
von Sexualität und Liebe seit den 1970er Jahren bis hin zur Gegenwart
der angeblich so befreiten vielfältigen Sexualitäten berichten.
Sexualität sei zur Sachlichkeit 'befreit', so heißt es ein wenig
bedauernd, die zementierten Rollenvorschriften der Geschlechter zum marktkompatiblen
'anything goes' fragmentiert. Wie steht es denn nun um die Gesellschaft
sprengende Transzendenz von Sexualität – oder Liebe?
Vor allem um den zwar nur schwer zu definierenden "weiblichen Blick"
auf das Thema geht es. Der Ausflug in die Geschichte erotischer Kulturen
von Frauen von der Antike an zeigt, dass es immer Frauen gab, die Sexualität
in unterschiedlichen historischen Kontexten deutlich dargestellt haben.
Der Vortrag erzählt also vor allem von den Metamorphosen der Konstruktion
"weiblicher" Sexualität in Literatur und Kunst von Frauen. Sichtbar
wird dies auch in dem von mir seit 22 Jahren herausgegebenen "Jahrbuch
der Erotik. Mein heimliches Auge", in dem sich Wandlungen oft schon zeigten,
lang bevor sie in den Medien oder viel besprochenen Sach- und belletristischen
Büchern auftauchten.
Claudia Gehrke
aufgewachsen in Frankfurt/M., Studium der Germanistik, Philosophie
und Mathematik in Tübingen. Von 1976 -1982 Veranstalterin eines "Mittwochssalons"
in der Tübinger Altstadt, 1978 aus diesem Forum hervorgehend Gründung
des konkursbuch-Verlages (mit dem Periodikum konkursbuch. Zeitschrift
für Vernunftkritik, das noch immer erscheint). Anfangs bis 1979 Verlag
zusammen mit Peter Pörtner (er ging 1979 nach Japan und ist jetzt
Leiter des Japan-Zentrums München, betreut die Japan-Reihe im Verlag).
Verlagsschwerpunkte: Literatur, Erotik, Philosophie & Alltagskultur,
Reisen zwischen den Kulturen, Japan. Bis 1982 neben dem Verlag stundenweise
Arbeit in Krankenhäusern als Lehrerin für schwerkranke Jugendliche,
seither Verlegerin und Publizistin.
Publikationen (Essays) in Anthologien, Kunstkatalogen und Zeitschriften
(u.a. Der Spiegel).
Teilnahme an Diskussionsrunden und Hearings (Kulturprogramme verschiedener
Fernsehsender,
Universitäten, Kirchentag). Lexikon-Artikel und Portraits
von Schriftstellerinnen, u.a. Frauenliebe/ Männerliebe , Metzler Verlag.
Herausgeberin diverser Anthologien, u.a. Ich habe einen Körper, München,
Matthes & Seitz; Purpurmund & Honiglippen, Erotische Texte
von Frauen seit dem Mittelalter, Berlin, Ullstein; Mein heimliches Auge.
Das Jahrbuch der Erotik, seit 1982.
Rike Felka |
XXVII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Freitag, den 16. April 2004 um 20 Uhr
Atelierhaus - Alte Schule - Äbtissinsteig 6, Essen-Steele
India-Song-Komplex: Zu Duras
Der Vortrag wird den India-Song-Komplex behandeln ( Prosatexte und Filme
von
Duras, die in den 60iger und 70iger Jahren entstanden). Duras gehört
zu den wenigen
Literatinnen, die gleichzeitig Filme gemacht haben. Bilder und Wörter,
das
Sichtbare und das Hörbare, sind bei ihr, wie in der Frühzeit
des Kinos unabhängig voneinander.
Aber sie bedingen, ergänzen und ermöglichen einander, als
unabgeschlossene,
unbegrenzte. Wenn in ihren Filmen romaneske Elemente: das Begehren,
die Trennung,
der Verlust, das Verbot, der Tod wirksam werden, dann nur im Geflecht
der
Stimmen, sie werden niemals gezeigt, niemals gesehen. Und eben diese
Stimmen
machen daraus einen unzusammenhängenden, uneinheitlichen
Bericht. Der Sinn
erscheint als eine ungreifbare Fluchtlinie, immer anderswo – in der
Kluft zwischen
dem, was gesagt, und dem was gezeigt wird.
India Song und So nom de Venise dans Calcutta
desert:
In den Bildern von Marguerite Duras werden die ungesprochenen Worte
hörbar, im
Gesprochenen die darin enthaltenen Bilder in Bewegung
gesetzt. Eine Analyse des
Verhältnisses von Text und Bild (mit
Filmclips) im Werk von Duras soll verknüpft
werden mit der Frage
nach dem sexuellen Begehren.